Nr. 122 - 03.07.22

Mutterstolz, ganz besonders. Wir Eltern erfreuen uns ja über viele Fortschritte, welche unsere Kinder uns bescheren. Vorallem im ganz jungen Alter. Die erste Portion komplett aufgegessenen hausgemachten Gemüsebrei, das erste verständlich ausgesprochene Wort, die ersten tapsigen Schritte im Alleingang undsoweiter. Später kommen das Velofahren ohne Stützrädli, das selbständige Schwimmen, die erfreulichen Schulnoten, die lobenden Worte der Lehrerin etcetera hinzu.

Heute, angekommen im Teenager-Alter, überwiegen andere Themen den Familienalltag. Nicht dass ich täglich nicht stolz bin auf den Nachwuchs, es finden einfach nicht mehr so viele offensichtliche Situationen statt. Vieles passiert mehr insgeheim. Man hängt seinen Stolz auch nicht mehr an die grosse Glocke, weil den Kids zurzeit fast immer peinlich. Jedes Mal überlege ich es mir daher gut, ob ich eine toll gemeisterte Situation kommentieren oder mich einfach im Stillen darüber freuen soll. 

Die soeben sich zugetragene Angelegenheit ist aber eine so richtig hervorzuhebende – wenn man denn die ganze Geschichte kennt: Meine sonst eher tough agierende Tochter kommt mit vielen schwierigen Situationen klar, wie sich bis heute gezeigt hat. Nur eines, das geht seit jeher beschwerlich voran. Ihr Heimweh, abends vor dem Zubettgehen. Wir üben dies seit Jahren, hauptsächlich mit Übernachtungsausflügen beim Grossmuetti. Da hat sie auch schon deren vier Nächte geschafft, im anderen Jahr wiederum nur zwei. Je älter desto einfacher, das zeichnet sich bis heute (noch) nicht ab. 

Die kürzliche grösste Herausforderung für sie ist das Klassenlager. Vier Nächte, ohne Familienbezug. Mit Klassengspändlis, welche sie zum Teil dafür auch hänseln. Denn, sowas spricht sich herum, vorallem, da der erste Auswärts-Übernachtungs-Versuch für eine Nacht mit der Schule letztes Jahr bereits gescheitert ist. 

Nach den Schul-Infos über das tolle Programm gebe ich Vollgas. Es wäre zu schade, wenn sie davon etwas verpassen würde. Also verbinden wir einen Familien-Ausflug gleich mit dem Besuch des Pfadiheims, wo denn auch die Unterbringung des Lagers stattfinden wird. Weiter lasse ich ein Foto-Kissen anfertigen, damit sie ihre Familie zumindest so mit dabei hat (im Nachhinein gemäss ihrer Aussage nicht wirklich eine Hilfe, im Gegenteil). Weiter kaufen wir ein Rätselbuch und ein kleines Spiel, zur Ablenkung. Zudem soll den in Aussicht gestellte vorgezogene Kauf ihres Wunsch-Bettes motivieren. Und schliesslich treffen wir am Schulfest eine Woche vorher eine der begleitenden Lehrerinnen, mit welcher wir vereinbaren dürfen, dass die Tochter insbesondere abends jederzeit ihre Nähe aufsuchen könne. Als Backup. 

Mit all diesen Vorbereitungen und dennoch einigen Tränen im Vorfeld, schicken wir sie am Montag also los.

Am vergangenen Freitag dann stehe ich mit prallerfülltem Stolz am Bahnhof, um sie wieder abzuholen. Sie hat es wirklich geschafft, obwohl mir sowohl die beiden Hauptlehrer wie auch sie selber von starkem Heimweh berichten. Diese Erfahrung stärkt sie fürs nächste und übernächste Mal, da bin ich mir sicher. 

Mein Fazit: Gute Vorbereitung ist sicher die halbe Miete, aber noch mehr wiegt die eigene Überzeugung, welche sich auf sie übertragen hat – über Wochen davor – dass sie das meistern wird. Ihre Aussage gleich nach der Rückkehr «Weisst Du Mama, ich wollte es einfach unbedingt schaffen!» ist denn auch genau den Beweis dafür.  

Diesen Mutterstolz muss ich einfach teilen.